Unterrichtsentwicklung - Beispiel Astronomie
Nach dem mittelmäβigen Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei international vergleichenden Schulleistungsuntersuchungen (insbesondere TIMMS), werden seit einigen Jahren Anstrengungen unternommen, den naturwissenschaftlichen Unterricht effizienter und attraktiver zu gestalten.[Ron] In wie weit die Astronomie vor diesem Hintergrund einen wichtigen Beitrag als integraler Bestandteil mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichtes liefern kann soll die Arbeit "Wahlfach Astronomie" zeigen. Über die Vermittlung astronomischer Kenntnisse hinausgehend bietet die Astronomie die Möglichkeit zur Gestaltung eines sehr lebensnahen, anschaulichen, motivationsstarken und phänomengeleiteten Unterrichts. Himmelsbeobachtungen haben hierbei einen besonderen Stellenwert.
Entwicklung eines Konzeptes zur Durchführung einer Beobachtungsnacht im Fach Astronomie
Im Folgenden wird ein Konzept für die Durchführung einer astronomischen Beobachtung beschrieben. Die Unterrichtsstunden dienen der exemplarischen Vorstellung eines Konzeptes auf der Basis einer begründeten Bevorzugung bestimmter Methoden und Inhalte.
Im späteren Verlauf wird eine Gesamtreflexion dargestellt, in der das Konzept und dessen exemplarische Anwendung kritisch hinterfragt werden. Das Konzept soll nicht nur in den Stunden, Phasen, Momenten seiner Anwendung reflektiert werden, sondern gerade im Hinblick auf die Durchführung weiterer astronomischer Beobachtungen um konstruktive, selbstkritische Anmerkungen und Veränderungsvorschläge bereichert werden.
Gegenstand der Gesamtreflexion ist neben der Einschätzung des durchgeführten Konzeptes als Ganzes und einer Auseinandersetzung mit der Lehrerrolle auch ein Ausblick auf mögliche Modifikationen..
Während der gesamten Arbeit gilt, dass der Terminus „Schüler“ in der Regel sowohl für männliche als auch für weibliche Jugendliche verwendet wird. Im Literaturverzeichnis sind die zur Erstellung dieser Arbeit verwendeten Artikel und Werke aufgeführt.
1.1 Prinzipien des Unterrichts
Wie jeder Unterricht basiert der Astronomie-Unterricht auf Prinzipien, die den „Erfolg“ von Unterricht sicherstellen sollen. Auf ihrer Basis geplant und im Hinblick auf Inhalt, Lehrer und Schüler sowie fachspezifische Merkmale abgestimmt, sollen sie die Qualität unterschiedlicher Bemühungen positiv beeinflussen.
Es stehen folgende Prinzipien im Vordergrund:
Orientierung an der Lebenserfahrung
Auf die Frage „Was sind Sterne?“ erhalte ich im Physikunterricht aller Jahrgangsstufen verschiedene Antworten. Das Spektrum reicht von einer romantisch-verklärten Weltsicht „das sind alles Seelen toter Menschen“ bis zu einer physikalisch-aufgeklärten Anschauung mit „leichten“ Fehlern „Sterne sind ganz kleine Sonnen“.
Die Sonne ist ein Stern. Sie ist eine Wasserstoff-Helium-Kugel, 330 000 mal so schwer wie die Erde, mit einer Temperatur im Inneren von 15 Millionen Grad Celsius und einem Druck von 20 Billiarden Pascal. Unter diesen Bedingungen können selbst Atome nicht mehr existieren. Die Sonne ist Ursprung allen Lebens auf der Erde. Menschliches Leben ist ohne die Sonne unvorstellbar. Internationale Forscher versuchen derzeit das Sonnenfeuer auf der Erde nachzuahmen. Visionäre sehen in dieser Technik die Lösung aller Energieprobleme. Dennoch sind überraschend viele Menschen hinsichtlich des grundlegenden Wesens der Sonne unwissend.
Die Sonne bietet hervorragende Beobachtungsmöglichkeiten. Kaum ein anderes Objekt des Himmels liefert eine derartige Dynamik. Mit einfachen Teleskopen lassen sich Einzelheiten wie dunkle Flecken, eine Oberflächenstruktur (Granulation) und flammende Gasausbrüche erkennen.
Der Mond ist nicht erst seit den ersten Schritten Neil Armstrongs auf dessen Oberfläche ein faszinierendes Objekt. Die Schönheit drückt sich aus in dunklen Gebieten (ehemals lavaüberflutete Ebenen) und hellen Flecken (Gebirge). Forder- und Rückseite des Mondes sind mit Kratern übersät. Dieses allein wäre schon ausreichend Legitimation die optische Abbildung des Mondes zum Gegenstand des (Physik-)Unterrichts zu machen. Daneben gibt es weitere Gründe, wobei ich nur auf einen ausführlicher hinweisen möchte: In letzter Zeit kommen Schüler zu mir, welche mit fester Überzeugung behaupten, dass es die Mondlandung nie gegeben habe: „Armstrongs Schuhabdruck sei nur ein „Fake“ der Amerikaner“. Das Schulbuch reicht nicht aus, um diese Schüler von der einmal unkritisch aufgenommenen „Verschwörungstheorie“ abzubringen. Verschwörungstheorien sind modern. Gerade im Internet finden sie eine zunehmende Anzahl von Anhängern. Tatsächlich ist ein kritischer Umgang notwendig im Hinblick auf immer mehr vorbereitete Nachrichtenbeiträge. Allerdings ist die Aufgabe naturwissenschaftlicher Lehrer hier eine nicht nur medienerzieherische Aufklärung zu leisten. Kritische Grundhaltungen gegenüber Inhalten sind positiv zu sehen – allerdings müssen die Schüler „Werkzeuge“ zur Meinungsbildung und Inhaltsprüfung lernen. So gelernter reflektierter Umgang mit Inhalten sind Schritte in Richtung des mündigen Bürgers. Ein vernünftiger Weg ist hier die astronomische Beobachtung, das „selbst sehen“ und die weitere, kritische Auseinandersetzung mit Informationen aus dem Internet.
Handlungsorientierung
„Wie kaum ein anderes Lehrgebiet eröffnet die Astronomie die Chance, den Unterrichtsstoff selbst zum Erlebnis werden zu lassen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass schulische Anstrengungen nicht selten zu einem auβerschulischen Hobby führen.“ [Win]
Handlungsorientierter Unterricht im Fach Astronomie ist möglich. Er befähigt die Schüler eigene Beobachtungen vorzunehmen, selbstständig Hilfsmittel zu benutzen und astronomische Erkenntnisse aus den Medien zu erschlieβen. Im Team erarbeitete Ergebnisse können anschaulich präsentiert werden. Die Schüler haben Raum zum Beobachten, Experimentieren, Kartieren sowie Bauen von Modellen. Der Astronomie-Unterricht bietet den Schülern die Chance, Handlungskompetenz auch an Lernorten auβerhalb der Schule zu erwerben. Als wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit stehen astronomische Beobachtungen dabei im Vordergrund. Sie tragen daneben auch zur Profilbildung der Schule bei.
Fächerübergreifendes Arbeiten
„Das Fach Astronomie ist auf Grund seines Umfangs und seiner Stellung im Fächerkanon auf besondere Weise mit anderen Unterrichtsfächern verbunden.“ [Olb] Diese Feststellung, basierend auf den Besonderheiten der Sekundarschule in Sachsen-Anhalt, gilt allgemein. Sachsen-Anhalt bietet als eines der wenigen Länder Astronomie als Möglichkeit im Fächerkanon an. Verbindliche Unterrichtsinhalte in der durchgeführten astronomischen Beobachtung sind u.a. Sonnen- und Mondbeobachtungen. Das Fach Astronomie existiert nicht als reguläres Fach an Realschulen des Landes Nordrhein-Westfalen und es gibt somit keine Rahmenrichtlinien.
Auch wenn Sonne und Mond nicht explizit als Thema des Lehrplans für Physik der Jahrgangstufe 9 aufgeführt sind (wie z.B. die Bewegung des Mondes und die Entstehung der Jahreszeiten, Jahrgangsstufe 5), so sind zahlreiche Bezüge zu anderen Lehrplaninhalten ableitbar: z.B. „Energieumwandlungen“, „Energieentwertung“, „Modellvorstellung: Wärme“, „optische Geräte“, „Zerlegung des weiβen Lichtes“ und fächerübergreifend „Ebbe/Flut“ (Erdkunde, Jst. 5), „Energie“ (Erdkunde, Jst. 10), „Photosynthese“ (Biologie, Jst. 9).
1.2 Lehrerfunktionen
Das Konzept einer astronomischen Beobachtung umschlieβt auch deren Planung und Evaluation. Diese Einheiten sollten in einen strukturierten und regulären Unterricht eingebettet sein. In diesem Fall wurde das Fach „Physik: Astronomie“ als Wahlpflichtfach an der Schule neu eingeführt. Die Anschaffung eines geeigneten Instrumentariums stand zunächst im Vordergrund. Komplexe Beschaffungskriterien stehen einer Vielzahl von unterschiedlichen Instrumenten unterschiedlicher Preisklassen gegenüber. Bei der Auswahl geeigneter Teleskope ist Fachwissen notwendig, welches sich der „fachunkundige“ Physik-Lehrer aneignen muss. Meine wissenschaftliche Ausbildung konzentrierte sich auf die modernen Rastersondenmikroskopien und die nahfeldoptischen Abbildungstechniken. Diese Kenntnisse halfen mir bei der Auswahl des astronomischen Instrumentariums weiter, weil die physikalischen Prinzipien (hinsichtlich der Strahlenoptik) dieselben sind. Wenn der Physiklehrer keine expliziten Kenntnisse in der Praxis der Astronomie besitzt, ist der Aufbau von Kontakten zu Experten, Hobbyastronomen, Observatorien, Vereinigungen etc., essentiell. Es wäre schön, wenn Experten regelmäβig den Astronomie-Unterricht mit ihren Erfahrungen und ihrem Fachwissen, ganz im Sinne der „offenen Schule“, bereichern könnten. Neben diesen Aspekten gehört das Aussuchen geeigneter Standorte zur Organisation astronomischer Beobachtungen. Es ist im Vorfeld einer astronomischen Beobachtung also eine umfangreiche Vorarbeit zu leisten.
Die Entwicklung der Handlungskompetenz kann besonders während astronomischer Beobachtungen gefördert werden. Astronomie ist in diesen Situationen natürlich von den Umgebungsbedingungen abhängig. Wenn die Durchführung einer Beobachtung entgegen des Wunsches verläuft, so kann sich bei den Schülern Frust aufbauen. Das Dulden und Aushalten dieser Schranken wird durch den Lehrer in seiner Vorbildrolle demonstriert. Dieses ist Teil erzieherischer Absicht.
Deshalb liegen Schwerpunkte meiner Lehrerfunktion auch in diesem Spannungsfeld von Innovieren, Organisieren und Erziehen.
Darstellung einer astronomischen Beobachtung und deren Evaluation
2.1 Bedingungsanalyse
Die Lerngruppe besteht aus 24 Schülern. 22 Schüler nehmen am Unterricht des Wahlfachs „Physik: Astronomie“ im WPII-Bereich teil. Darüber hinaus besteht die Lerngruppe aus zwei Schülern der 6. Jahrgangsstufe und einem aus der 8. Jahrgangsstufe, welche regelmäβig zum Unterricht erscheinen.
Der Unterricht findet jeweils Mittwochs, in der 7. und 8. Stunde statt. Der Unterricht am 10.05.2006 fand aus schulinternen Gründen nur einstündig statt.
Die Inhalte vorangegangener Stunden sind (sofern eine Berücksichtigung in der Auflistung für eine Einschätzung der Lernausgangslage erforderlich ist):
- Refraktor und Reflektor
- Strahlenoptik: Linsen brechen das Licht
- Der monatliche Umlauf und die Phasengestalt des Mondes
- Finsternisse
- Physikalische Aspekte des Mondes
- Der Stern Sonne – Eine Gaskugel
- Die Sonne – Ein Gröβenvergleich
Am 29.03.2006 gab es einen Unterrichtsgang zur Besichtigung des Westfälischen Museums für Naturkunde (Landesmuseum und Planetarium) und zur Besichtigung der astronomischen Uhr im Dom zu Münster. Eine Beobachtung der partiellen Sonnenfinsternis (Sofi2006) vor Ort konnte aufgrund der starken Himmelsbedeckung leider nicht durchgeführt werden.
Goswin Holtappels steht den Schülern als Experte für Astronomie in beiden Unterrichtsphasen, „Sonnenbeobachtung“ und „Mondbeobachtung“, zur Verfügung.
Der Ort der astronomischen Beobachtung ist die Wiese im Schlosspark, in Sichtweite des Parkplatzes an der Krefelder Strasse. Toiletten sind im Park vorhanden, sie befinden sich nicht in unmittelbarer Nähe zum Beobachtungsort (Entfernung ca. 10 Minuten zu Fuβ).
Im Folgenden geht es um die Darstellung dreier zusammenhängender Unterrichtseinheiten. Diese umfassen im Wesentlichen die Durchführung und Auswertung einer astronomischen Beobachtung im Unterricht. An diesem Beispiel aus meiner Unterrichtspraxis möchte ich ein Konzept zur Durchführung einer Beobachtung(snacht) verdeutlichen.
2.2 Die astronomische Beobachtung: Mittwoch, 03.05.2006
2.2.1 Thema und Ziel der Unterrichtseinheit
Thema: „Gasriesen und Felsbrocken unter der Lupe“. – Ein Unterrichtsgang zur Beobachtung von Sonne und Mond.
Ziel: Die Schüler sollen unterschiedliche optische Instrumente der Himmelsbeobachtung, insbesondere Spiegelteleskope und Refraktoren, kennen lernen. Sie sollen lernen, wertvolles Instrumentarium verantwortungsvoll zu bedienen. Sie sollen die Gefahr der ungeschützten Sonnenbeobachtung für das menschliche Auge erkennen lernen. Sie sollen lernen, selbstständig beobachtete Mondstrukturen mit Abbildungen in der Fachliteratur zu vergleichen und diese korrekt zu bezeichnen, bzw. zu verorten.
2.2.2 Erläuterungen und Begründungen ausgewählter Entscheidungen
in ihrem Zusammenhang
Wie oben erwähnt besteht die Lerngruppe aus 24 Schülern. Im Hinblick auf eine individuellere Förderung ist die Lerngruppe in zwei Groβgruppen (jeweils 12 Schüler) gespalten worden. Eine Gruppe (A) ist von 14 Uhr bis 17 Uhr anwesend und beobachtet die Sonne, die andere (B) ist von 18 Uhr bis 22 Uhr anwesend und beobachtet den Mond. Die Schüler arbeiten in dieser Unterrichtseinheit arbeitsteilig, um die oben aufgeführten Lernziele zu erreichen. Hierfür plane ich in Unterrichtseinheit 3 eine Plakaterarbeitung und Plakatpräsentation auf der Grundlage der Ergebnisse und Erfahrungen. Die entsprechende Unterrichtseinheit ist ausführlich in 2.3 dargestellt.
Grundsätzlich möchte ich den Grad an Lehreraktivität zu Gunsten der Schüleraktivität verringern. Gruppenarbeit bietet häufig vielfältige Möglichkeiten hoher Schüleraktivität. Eine Arbeit in Kleingruppen scheidet heute jedoch in jedem Fall aus. Dafür möchte ich zwei Gründe geben:Auf die Gefahren während der Sonnenbeobachtung wurde schon mehrfach in den vergangenen Unterrichtsstunden hingewiesen. Die Schüler wissen, dass der ungeschützte Blick in die Sonne zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann. Jedoch sind die Schüler nicht mit dem Instrumentarium vertraut. Es ist selbstverständlich die Schüler in diesem Stadium nicht als Kleingruppe „allein“ an einem Refraktor arbeiten zu lassen. Ein „Missgeschick“ hätte schwerste Konsequenzen. Die Justierung des Spiegelteleskops ist komplex und zeitaufwendig. Die parallaktische Montierung ist nicht Lernziel dieser Unterrichtseinheit und kann ein anderes Mal, z.B. mit Hilfe der Experten-Methode, in Gruppenarbeit erlernt werden. Heute kommt es lediglich auf die Bedienung des Instruments im Hinblick auf die Einstellung eines scharfen Bildes an. Bei 12 Schülern in der Groβgruppe ist dieses auch in Einzelarbeit möglich und zeitlich effektiv.
Die Schüler erhalten ein Arbeitsblatt (siehe Anhang: Arbeitsblätter „Sonnenbeobachtung“ und „Mondbeobachtung“), dass sie mit Hilfe der Demonstration an den Teleskopen und durch eigenes Schauen, Beobachten, Hingucken, Anfassen, selbstständig lösen sollen. Mitglieder der A-Gruppe bestätigen die vorangehende Sicherheitsbelehrung mit ihrer Unterschrift. Die erste Arbeitsanweisung zielt auf den Aufbau der technischen Geräte und der Pavillons. Die Pavillons dienen als Sonnenschutz und als Unterstellmöglichkeit, falls es unverhofft zu regnen beginnt. Auf den ausgebreiteten Decken können sich die Schüler platzieren und notwendige Schreibarbeiten erledigen. Aufgaben 2 und 3 sind selbstständig zu erarbeiten. In diesen Aufgaben werden u.a. reproduktive Leistungen gefordert, aber es werden auch auf der Grundlage des Vorwissens weitere Erkenntnisse erschlossen und eigene Erfahrungen festgehalten. Die Mitglieder der B-Gruppe sollen eine Aufgabe zur Bezeichnung der wesentlichen Baugruppen eines Refraktors/Spiegelteleskops in Einzelarbeit lösen. Sie sollen ferner erkennen, dass das Bild bei der Beobachtung eines Objektes in Bodennähe kopfstehend und seitenverkehrt ist (Aufgabe 3). Nachdem die Schüler einen Blick auf den Mond geworfen haben, sollen sie in der Lage sein einige Strukturen auf einer dem Arbeitsblatt beigefügten Abbildung wiederzuerkennen, zu markieren und zu Hause nach den exakten Bezeichnungen zu recherchieren (Aufgabe 4). Schlussendlich besteht die Aufgabe darin, sich beim Abbau und beim Aufräumen zu organisieren.
2.2.3 Geplanter Unterrichtsverlauf
A. Sonnenbeobachtung: 14 Uhr bis 17 Uhr
Begrüβung
Sammlung auf der Rasenfläche im Schlosspark in der Nähe des Parkplatzes an der Krefelder Strasse. Vorstellung von Herrn Holtappels als Experte für Astronomie.
Einstieg
Hinweise zu den vorhandenen Materialien und zum groben Ablauf des Nachmittags. Die Schüler teilen sich selbstständig auf, um beim Aufbau der Pavillons und der Geräte zu helfen.
Erarbeitung
Aufbau der Pavillons und der Geräte.
Durchführung der Sonnenbeobachtungmit Objektivabdeckung durch eine Baader-Solarfoliemit einem Projektionsschirmmit dem Herschel-Keilmit einem H-Alpha-Filter
Sicherung
Schriftliches Festhalten der Ergebnisse anhand des Arbeitsblattes.
B. Mondbeobachtung: 18 Uhr bis 22 Uhr
Begrüβung
Siehe A.
Einstieg
Stehkreis inmitten der aufgebauten Geräte. Unterrichtsgespräch zum Einsatz eines „normalen“ Fernglases für die Himmelsbeobachtung.
Erarbeitung
Durchführung der Mondbeobachtungmit einem Refraktormit dem Schmidt-Cassegrain-Spiegelteleskop
Abbau der Pavillons und der Geräte.
Sicherung
Schriftliches Festhalten der Ergebnisse anhand des Arbeitsblattes.
2.2.4 Durchführung und Reflexion dieser Unterrichtseinheit
Bei einer Vorbereitung von Unterricht geht man davon aus, dass Unterricht in seinen Facetten planbar ist. Eine astronomische Beobachtung allerdings hängt empfindlich von den Gegebenheiten des Wetters ab. Diese Gegebenheiten sind nicht planbar. Ein Ausweichen auf der Basis von alternativen Arbeitsaufträgen erfüllt einen nur unzureichenden Zweck.
Die positive Motivation der Schüler sollte durch schlechte Erfahrungen beim „ersten Mal“ nicht zunichte gemacht werden. Deshalb ist für die Durchführung einer astronomischen Beobachtung die Fähigkeit zu spontanen Entscheidungen essentiell: Die Vorabinformation über spontanes Stattfinden der Beobachtung und das Einverständnis der Schüler und ihrer Eltern erfolgte bereits zu Beginn der WP-Arbeit im 2. Schulhalbjahr. Nach etlichen Schlechtwettertagen im Februar und März schien die Gelegenheit für einen Unterrichtsgang nun sehr günstig. Die Wetterprognosen für die ersten Tage im Mai waren sehr gut. Den Tag der ersten astronomischen Beobachtung habe ich auf Mittwoch, den 03.05.2006 gelegt. Die Briefe zur Kurzinformation der Schüler und deren Eltern sind zwei Tage zuvor ausgeteilt worden. Darüber hinaus haben mir die Schüler ihre Email-Adressen bzw. Telefonnummern gegeben, so dass ich im „Notfall“ die Lerngruppe auch kurzfristig über Änderungen informieren konnte.
Die Anwesenheit des Astronomie-Experten G. Holtappels hat die Veranstaltung stark bereichert und zum Gelingen der ersten astronomischen Beobachtung beigetragen. Die Lerngruppe ist im Vorfeld über das Kommen eines Experten informiert worden. Den Schülern ist die Funktion des Experten als „Fachkundiger“ und „Informationsquelle“ verdeutlicht worden. Allerdings ist diese Lerngruppe bisher noch nicht in Dialog mit Experten getreten. In der Praxis zeigte sich, dass Herr Holtappels die Rolle des Experten in hervorragender Weise ausübte. Gleich zu Beginn, während der Begrüβung, kündigte er an, mit „Fragen gelöchert werden zu wollen“. Ein wichtiger Bestandteil meiner Lehrerrolle war hier das Auftreten als Moderator. Meine Aufgabe war es, die Schüler zum Kontakt und zum Dialog mit dem Experten aufzufordern, zu motivieren, anzuregen. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass ich in der Kooperation mit dem Experten und aufgrund des hier ermöglichten Zurücktretens als „Wissensvermittler“ Gelegenheit zur Beobachtung der Lernsituation erhalte habe.
Wir hatten relativ gutes Wetter. Die Sonne schien kräftig und der Himmel war am frühen Nachmittag wolkenfrei. Da die Sonne nach den im Internet veröffentlichten Bildern führender Observatorien gerade eine Phase starker Aktivität zeigte, freuten die Schüler sich schon auf die ersten Bilder. Und so konnten wir auch deutlich sichtbare Sonnenflecken mit der Projektionsmethode erkennen. Einige Schüler waren in der Lage selbstständig, oder mit kleinen Hilfen, wesentliche Phänomene zu entdecken. Z.B. haben einige Schüler klar erkannt, dass ein Sonnenfleck nicht einheitlich gefärbt ist. Die Schüler konnten dieses Phänomen mit Herrn Holtappels diskutieren. Seine Hinweise lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die als Umbra (dunkles Zentrum) und Penumbra (hellerer Auβenbereich) gekennzeichneten Bereiche der Sonnenflecken. Ein hier geäuβerter Schülerkommentar, den ich noch im Kopf habe, war „...das ist krass....“. Offensichtlich kann das Sichtbarmachen von Sonnenflecken, auch im Zeitalter von Computerspielen und polyphonen Handys, für Erstaunen sorgen. Eine einwandfreie Beobachtung wurde zu späteren Stunden des Nachmittags immer schwieriger, da die Luftfeuchtigkeit zu einer „Diesigkeit“ führte und zunehmend Wolken am Himmel auftauchten, die die Sonne bedeckten.
Die beobachtungsfreien Minuten gaben den Schülern die Gelegenheit die von Herrn Holtappels mitgebrachten A4-formatigen Abbildungen früherer Sonnenbeobachtungen zu betrachten und mit ihren Erfahrungen unmittelbar zu vergleichen und zu hinterfragen. Die anregenden Gespräche über verschiedene Phänomene der Sonnenaktivität, wie z.B. das Auftreten von Eruptionen oder Flares, zeigten, dass die Schülern die Inhalte packend und lehrreich fanden.
Am Abend wurde es sehr schwer einen freien Blick auf den Mond zu erhalten. Dennoch gab es einige Minuten, in denen eine ausreichende Beobachtung sowohl mit dem Spiegelteleskop als auch mit dem Refraktor gelang. Der Groβteil der Schüler war eifrig dabei und haben diese Minuten genutzt, um eine „befriedigende“ Sicht auf den Mond zu nutzen. Für die Schüler besonders interessant erschien die strukturierte Mondoberfläche an der Grenze von Licht und Schatten. Diese Grenzlinie nennt sich „Terminator“. Hier wird der Mond streifend vom Sonnenlicht erfasst. Die Berge werfen lange Schatten und lassen den Mond an dieser Stelle besonders plastisch erscheinen. Rückfragen und das Bedürfnis mir ihre „Entdeckungen“ zu zeigen, demonstrierte, wie stimulierend das Erlebnis für ihre Motivation war.
In den durch Wolkenbedeckung erzwungen beobachtungsfreien Minuten gab es Erklärungen zur Justage des Spiegelteleskops und zu den physikalischen Besonderheiten der Abbildung bodennaher Gegenstände mit diesem Instrument. Besonders wissbegierig waren die Schüler auf die Ausführungen von Herrn Holtappels hinsichtlich der Beobachtungsmöglichkeiten mit ganz einfachen Instrumenten: Gebirge und Krater auf dem Mond kann man zum Beispiel bereits mit einem Feldstecher erkennen. Dies eröffnete ihnen die Möglichkeit die Beobachtung selbst fortzusetzen. Die angeregte Diskussion über Mittel zum Zweck und Preis/Leistung sensibilisierte die Schüler und vermittelte Entscheidungskriterien wie Auflösung, Objektivöffnung, Qualität der Verarbeitung, etc. Manchmal kann man schon mit einem Feldstecher faszinierende Beobachtungen machen. Die Schüler erfuhren, welche praktischen Möglichkeiten es gibt, einen Feldstecher sicher auf ein Fotostativ zu montieren. Diese Konstruktion wäre ein sehr einfaches, preiswertes und möglicherweise gutes Instrument der Himmelsbeobachtung für Einsteiger. Im Gespräch entstand der Eindruck, dass einige Schüler die Anschaffung eines guten Feldstechers oder Teleskops in Erwägung ziehen. Dieser Unterricht trägt sicherlich dazu bei, Schüler zu motivieren eigene Erfahrungen und Lernaktivitäten auβerhalb des Physik-Unterrichtes zu sammeln und zu machen.
Während der Diskussionen habe ich beobachtet, dass sich die sechs in der Lerngruppe befindlichen Mädchen weniger stark beteiligen. Daneben sind mir die häufigen und zeitlich ausgedehnten „Toilettengänge“ aufgefallen. Die Gründe hierfür liegen wahrscheinlich in den hier sehr technisch ausgerichteten Unterrichtsinhalten. Aufgrund der Erziehung ist technisches Interesse für Mädchen oftmals nicht so selbstverständlich wie für Jungen. Dennoch gibt es sehr viele Möglichkeiten einen mädchengerechten Physik-Unterricht zu gestalten, wie es z.B. in den Ergebnissen des Modellversuchs „MiNT, Mädchen in Naturwissenschaften und Technik“ beschrieben ist. [Con] In der Planung habe ich mir gedacht, dass die Mädchen durch den selbstständigen Umgang mit den technischen Geräten, ihre Angst, Abneigung oder Vorurteile über physikalische Instrumente abbauen können. Hier möchte ich beim nächsten Mal verstärkt ansetzen, um Mädchen durch entsprechend gestaltete Arbeitsaufträge zu einem „selbst Handeln“ an den Teleskopen zu begeistern. Warum sollte es nicht möglich sein, die eigenen Beobachtungen (z.B. von Mondstrukturen mit Bezeichnungen wie „Meer der Ruhe“) sprachlich oder zeichnerisch fassen zu lassen. In dieser Hinsicht ist eine Differenzierung nicht zwingend erforderlich: Nach den Erfahrungen Wagenscheins zum Koedukationsunterricht gilt „...wenn man sich nach den Mädchen richtet, ist es auch für Jungen richtig; umgekehrt aber nicht...“.
2.3 Die zweite Unterrichtseinheit: Mittwoch, 10.05.2006
2.3.1 Thema und Ziel der Unterrichtseinheit
Thema: „Beim nächsten Mal wird alles anders – oder?“ – Ein Schüler-Feedback zur Durchführung der astronomischen Beobachtung am 03.05.2006 mit Hilfe des „ Schreibgesprächs“.
Ziel: Die Schüler sollen eine neue Methode der kommunikativen Interaktion kennen lernen. Sie sollen lernen, konstruktiv Kritik zu äuβern und zu empfangen. Sie sollen die eigene Leistung realistisch einschätzen lernen. Sie sollen lernen, Sie sollen lernen, Zukunftsperspektiven zu entwickeln und zu formulieren (konkrete Verbesserungsvorschläge zur Durchführung der nächsten astronomischen Beobachtung zu erstellen).
2.3.2 Erläuterungen und Begründungen ausgewählter Entscheidungen
in ihrem Zusammenhang
Die astronomische Beobachtung im Schlosspark liegt eine Woche zurück. Die Erinnerungen an diesen Unterrichtsgang sind noch frisch. Es ist die erste astronomische Beobachtung gewesen. Vieles hat gut funktioniert, anderes ist verbesserungswürdig. Ist die Lerngruppe mit den Ergebnissen dieses Unterrichtsgangs zufrieden? Sind die Schüler jeweils mit ihren eigenen Beiträgen zufrieden? Was haben die Schüler am Beobachtungstag gelernt? Und welche Rahmenbedingungen können beim nächsten Mal verändert werden?
Diese Auswahl an Fragen zeigt, dass es viel zu besprechen gibt. Dabei können manche Fragen heikel sein: Ein Schüler, der sich am Beobachtungstag wenig eingebracht hat, könnte sich durch offene Meinungsäuβerung „ertappt“ fühlen. Die von den Mitschülern geübte Kritik kann dabei leicht als Angriff verstanden werden. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass im Plenum lediglich extrovertierte Schüler ihre Meinung wiedergeben. Notwendig ist hier jedoch ein Meinungsbild der gesamten Lerngruppe.
Deshalb habe ich mich für die Methode des „Schreibgesprächs“ entschieden. Das „Schreibgespräch“ ist auch unter dem Begriff „Stumme Diskussion“ bekannt. Hier handelt es sich um eine Diskussion in der Lerngruppe, wobei nicht geredet, sondern geschrieben wird. Es ist vorteilhaft die Teilnehmer der Lerngruppe mit verschiedenfarbigen Stiften schreiben zu lassen. Der Gegenstand der Diskussion wird auf einem groβen Blatt Papier in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt. Dabei können Meinungen ausgetauscht werden, indem vorhandene Sätze mit Verbindungslinien, Pfeilen oder Fragezeichen, versehen und weitere Kommentare dazugeschrieben werden. In der Regel gilt: Je aktivierender der dargestellte Gegenstand des Schreibgespräches und je spontaner die Teilnehmer reagieren, desto „fruchtbarer“ das Ergebnis. Auch ohne laute Worte kann in dieser Weise eine intensive Kommunikation stattfinden. Darüber hinaus kann die geschriebene Unterhaltung auch von Auβenstehenden nachvollzogen werden. Wenn nach 20 Minuten das Redeverbot aufgehoben wird, können die Schüler die Plakate aufhängen und somit veröffentlichen. Die anonymen Gespräche sind in dieser Weise allgemein nachvollziehbar. Für die Schüler dieser Lerngruppe ist die Methode völlig neu. Die Bezeichnungen „Schreib“ und „Gespräch“ sind ihnen bekannt. Sie können also die Bedeutung aus ihrem Vorwissen ableiten und vermuten, wie das „Schreibgespräch“ ablaufen wird. Als Einstieg dient ein stummer Impuls mit einem Plakat und verschiedenfarbigen Eddings.
Die Schüler sollen sich in zwei Groβgruppen, entsprechend der zuvor erstellten Einteilung „A“ und „B“, zusammenfinden. Damit es keine chaotischen Zustände gibt, ist es sinnvoll, den Fachraum in zwei Hälften zu teilen (linke Seite, rechte Seite). Die Plakate besitzen die Symbole „Sonne“ und „Mond“ zur eindeutigen Unterscheidung. Die Diskussionsobjekte sind für beide Gruppen identisch:Unsere gröβte Leistung war ...Für die nächste Beobachtung könnten wir ...Am wenigsten sind wir weitergekommen bei ...Am besten hat mir gefallen, dass ...Mich hat gestört, dass ...Die dargebotenen Satzanfänge besitzen ausreichend provozierenden Charakter, um die Bereitschaft zur schriftlichen Meinungsäuβerung zu fördern.
2.3.3 Geplanter Unterrichtsverlauf
Begrüβung
Einstieg
Das „Schreibgespräch“ wird als Methode zum Feedback vorgestellt. Im Unterrichtsgespräch klärt die Lerngruppe Hintergründe. Zur Veranschaulichung werden ein Plakat und farbige Stifte demonstriert.
Erarbeitung
Die Lerngruppe wird halbiert nach „Sonnenbeobachter“ und „Mondbeobachter“. Der stumme Meinungsaustausch dauert 20 Minuten.
Das Redeverbot wird aufgehoben. Nun werden die Meinungen veröffentlicht, die Plakate werden an die Fachraumrückwand geheftet. Die Schüler informieren sich durch freies Umhergehen über das Meinungsbild der gesamten Lerngruppe.
Die Schüler setzen sich. Zwei Schüler geben das Meinungsbild kurz wieder. Ein Meinungsaustausch in der gesamten Lerngruppe findet statt.
Sicherung
Die Ergebnisse werden diskutiert und nach einer Bewertung an der Tafel gesammelt.
2.3.4 Durchführung und Reflexion dieser Unterrichtseinheit
Der Einstieg in diese Stunde verlief mit einem stummen Impuls gefolgt von einer kurzen Methodenerklärung. Den Schülern wurde verdeutlicht, dass es nun darum geht, Bewährtes und Verbesserungswürdiges aus der vergangenen astronomischen Beobachtung festzustellen. Dieses soll dann als Grundlage für die Planung einer nächsten astronomischen Beobachtung dienen.
Wie vermutet hat sich gezeigt, dass die Schüler die Methode des „Schreibgespräches“ noch nicht kannten. Die Bedeutung der Methode wurde schnell erfasst.
Die Schüler durften sich in ihrem Bereich, „A oder B“, frei bewegen und sich nach belieben an der Schreibdiskussion des einen oder anderen Tisches beteiligen. 20 Minuten waren für die Gesamtheit von jeweils fünf Objekten eine ausreichende Zeitspanne.
Interessant ist, dass die Schüler nach wenigen Minuten von allein darauf gekommen sind, das Papier „ungeordnet“ zu beschreiben. So stehen die ersten Kommentare bei einigen Plakaten Linie für Linie untereinander und ohne Bezug. Erst danach sind Ansätze zu einem echten Dialog, mit Hilfe von Pfeilen und Gegenmeinungen oder Bestätigungen, zu erkennen.
Die Schüler der sechsten Klasse brachten ihre Meinungen ebenfalls zum Ausdruck, wobei ihre Meinungen sich kaum von denen der Groβen unterschied. Vielleicht auch deshalb, weil sie den „Groβen“ nicht widersprechen wollten.
Es gibt viele Reflexionspunkte im Hinblick auf den Ablauf und das Ergebnis dieses „Schreibgespräches“. Der Schwerpunkt ist für mich das Feedback zur astronomischen Beobachtung, da hier Perspektiven für ein „nächstes Mal“ entstanden sind. Orientierungshilfen und Methoden zum Schülerfeedback finden sich in der Literatur, z.B. in [Lan].
Die Kernaussagen der Plakate können wie folgt zusammengefasst werden:
Das Feedback bezieht sich auf dieses Konzept der astronomischen Beobachtung.
Die Plakate werden nach dem „Schreibgespräch“ an die Wand gehängt. Auf der Grundlage der schriftlichen, anonymen Diskussion kann die Lerngruppe nun das allgemeine Meinungsbild sehen und sich über die vorherrschenden Meinungen informieren. Grundlegende Probleme und Anmerkungen können nun ins Plenum gegeben werden. Ein Diskussionspunkt war zum Beispiel, warum die Kreislaufprobleme eines Mitschülers unter dem Thema „Mich hat gestört, dass...“ aufgeführt waren. Dieses konnte jedoch als Missverständnis geklärt werden. Die weitere Diskussion intensivierte die auf den Plakaten dargestellten Aussagen.
Das „Schreibgespräch“ brachte die Aussage, dass ein besserer Standort für die nächste Beobachtung gewählt werden sollte. Der Kritikpunkt ist berechtigt, da er auf die Ferne zu den Toiletten und das teilweise als störend empfundene Dasein anderer Parkbesucher zielt. Dennoch sollte ein abgeschiedener Standort gemieden werden: Die Nähe zum Parkplatz war günstig, da im Falles eines Notfalls einem Schüler schnell geholfen werden kann. Das diese Sorge berechtigt ist, zeigt die Tatsache, dass es während der Sonnenbeobachtung einen Schüler mit Kreislaufproblemen gab. Die Entfernung zur Schule ist ebenfalls ein Kriterium. In diesem Fall wurde ein Standort in Fuβreichweite zur Schule gewählt. Schüler, welche an der Abendveranstaltung teilnahmen, wurden teilweise von den Eltern gebracht und abgeholt. Bei weiter entfernten Standorten sollte ein Transportunternehmen eingeschaltet werden. Der Transport mit dem eigenen PKW ist jedoch nach § 6.2 WRL unzulässig. [Wrl]
Ein harter Kritikpunkt ist die Aussage der Schüler „...so groβ waren unsere Leistungen nicht“, „...welche Leistungen?“. Diese Aussage gab es in beiden Gruppen. Ich schlieβe daraus, dass die Schüler mit den ihnen aufgetragenen Aufgaben unterfordert waren. Als Hauptgrund für die Unterforderung sehe ich die stark lenkenden Arbeitsaufträge (mit relativ einfachen Fragen). Einige Schüler hatten keine Schreibmaterialien dabei (dem wäre mit einer einzigen Materialkiste aus der Physik-Vorbereitung abgeholfen). Aber hauptsächlich sind die Aufgaben schon nach wenigen Minuten lösbar gewesen. Wenn nicht, so konnte man sich auf die Aufzeichnung des Freundes verlassen. Die meisten Schüler waren „dennoch“ bei den Teleskopen, haben mit dem Experten diskutiert und die Teleskope durch selbstständiges Tun erkundet. Daneben gab es auch Schüler, die sich in einer „Freundschaftsgruppe“ zeitweilig gedanklich absetzten. Enttäuschungen gab es laut „Schreibgespräch“ wegen der Wolken. Sonne und Mond waren häufig nicht optimal zu sehen. Im erzieherischen Sinne ist diese Situation durchaus positiv zu sehen: Astronomie ist eben nicht Fernsehen. Man kann nicht konsumieren, umzappen auf ein anderes Programm. Die Schüler lernen Durchhaltebereitschaft, sie lernen auch mit Frustration umzugehen.
Abschlieβend möchte ich kritisch anmerken, dass das „Schreibgespräch“ aufgrund der vielen (engen) Vorgaben schleppend angelaufen ist. In meiner Planung habe ich mir fünf Vorgaben (zwei positive, zwei negative, eine zukunftsgerichtet) überlegt, um ein vielschichtiges Ergebnis zu erhalten. Nun denke ich, dass es sinnvoller gewesen wäre, weniger lenkend in den Prozess des „Schreibgespräches“ einzugreifen. Ein groβes Plakat, eines jeweils für die Sonnenbeobachtung und die Mondbeobachtung, allein mit dem Impuls „Beim nächsten Mal wird alles anders – oder?“, hätte sicherlich schon ausgereicht für eine angeregte „stumme Kommunikation“ mit ergebnisreichem Feedback.
2.4 Die dritte Unterrichtseinheit: Mittwoch, 17.05.2006
2.4.1 Thema und Ziel der Unterrichtseinheit
Thema: „Felsenfeste und sonnenklare Infos für alle Wissensdurstigen“ – Eine Präsentation in Gruppenarbeit basierend auf der astronomischen Beobachtung und Formulierung von Ergebnissen und Perspektiven für die WP-Arbeit.
Ziel: Die Schüler sollen lernen, ein informatives Plakat erstellen. Sie sollen lernen, innerhalb einer Kleingruppe Funktionen zu übernehmen. Sie sollen das Präsentieren lernen.
2.4.2 Erläuterungen und Begründungen ausgewählter Entscheidungen
in ihrem Zusammenhang
Die Lerngruppe besteht heute aus 22 Schülern. Die Schüler sollen in Kleingruppen zu vier Teilnehmern zusammenarbeiten und in der Kleingruppe gemeinsam an der Erstellung eines Plakates auf der Grundlage der Erfahrungen und Aufzeichnungen aus dem Unterrichtsgang (03.05.2006), des zu Hause beschafften Materials (Hausaufgabe vom 10.05.2006) und des zur Verfügung gestellten Materials (Fotokopien, Texte und Bilder), ein Plakat erstellen und präsentieren. Es ist darauf zu achten, dass die Kleingruppen jeweils Teilmengen einer der beiden Groβgruppen sind, d.h. das die Zuordnung “Sonnenbeobachter“ und „Mondbeobachter“ stimmt. Die Lerngruppe wird geteilt in „linke Seite“ und „rechte Seite“ im Hinblick auf den Fachraum. Es sollen links und rechts jeweils drei Kleingruppen entstehen. Die Einteilung in Kleingruppen erfolgt (mit zwei Baccara-Kartenstapeln für „links“ und „rechts“) auf der Grundlage des Losens. So stelle ich sicher, dass sich die Gruppen nicht nach Freundschaften richten, oder danach, dass ein Schüler offensichtlich besonders viel Material mitbringt und sich die Schüler in diesem Fall eher auf dessen Leistung als auf die eigene verlassen. Aus diesem Losprozess möchte ich nur die beiden Schüler aus der Jahrgangsstufe 6 herausnehmen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Es wird eine Leistungsbewertung nach einheitlichen Kriterien geben. Für die Leistung der nicht zur Jahrgangsstufe 9 gehörenden Schüler soll es zwar Anerkennung (durch Kommentare), aber keine Bewertung im „klassischen Sinn“ geben. Daher läuft ihr Plakat „auβer Konkurrenz“.
Mir ist es wichtig, dass jeder Schüler in der Gruppenarbeit Verantwortung übernimmt für einen Teil des Arbeitsprozesses. Die Methode der Schülerfunktionen bietet verschiedene Möglichkeiten der Steuerung. Hier sollen die Teilnehmer eines Teams zwischen vier Funktionen wählen. Es gibt Konstrukteure (leitgebend in der Plakatgestaltung), Materialwarte (zuständig für Arbeitsmaterialien), Zeitwächter und Disziplinatoren. Die Funktionen sind im Unterrichtsgespräch verdeutlicht worden. Die vier Schüler eines Teams müssen sich für eine Funktion entscheiden und ihre Namen entsprechend auf eine Karte schreiben. Auf der Karte sind die Funktionen nocheinmal beschrieben. Sie liegt stets beim Team, so dass ich sehen kann, wer welche Funktion bekleidet.
Die „Namensgebung“ der Funktionen ist diskussionswürdig, würde hier allerdings zu weit führen. In der Reflexion gehe ich auf die Annahme der Schülerrolle kurz ein.
Sicherlich tauchen während des Erarbeitens Fragen auf. In dieser Unterrichtseinheit liegt ein Schwerpunkt der Lehrertätigkeit in der Beratung und Beobachtung. Ich möchte Hilfestellung leisten, aber nicht für „Kleinigkeiten“ verantwortlich sein. Für manche Schüler scheint es ein unlösbares Problem zu sein, wenn ein Filsstift aus der Materialkiste nicht mehr funktioniert. Je mehr der Lehrer sich um diese „Kleinigkeiten“ kümmert, desto mehr verliert er Zeit, um Schüler zu motivieren und den Lernprozess aller zu begleiten. Dabei ist es gerade seine Aufgabe, Schüler zur Selbstständigkeit zu erziehen. Einen Beitrag in dieser Hinsicht liefert die Methode „Tafelfilter“. Die Schüler dürfen ein Hilfegesuch kurz an der Tafel notieren. Der Lehrer kann die Liste dann in der Reihenfolge abarbeiten. In der Regel werden die Schüler lediglich wichtige Dinge an die Tafel schreiben. Der Lehrer kann hier auch sehr übersichtlich sehen, ob es ein „überregionales“ Problem gibt, welches im Plenum sofort geklärt werden muss.
Jeder Schüler soll sich sein „Kartensymbol“ merken. In der Präsentationsphase werden neue Gruppen gebildet, entsprechend der Symbole Kreuz, Herz, Pik, Karo. Die zwei Schüler der Jahrgangsstufe 6 ordnen sich jeweils einer der vier Gruppen zu.
Der Museumsrundgang:
Die Schülerplakate werden mit reichlich Abstand voneinander ähnlich einer Galerie aufgehängt. Bei jedem Plakat ist im Rundgang ein „Experte“ vor Ort, um den Betrachtern Hintergründe zu erläutern, Inhalte darzustellen und Fragen zu beantworten. Die Rotation ermöglicht, dass jeder Gruppenteilnehmer einmal Experte ist. Hier haben wir sechs Schülerplakate. Das sechste Plakat hängt in der Galerie, ist aber nicht im Prozess des Rundgangs eingesetzt, da es nur von zwei Schülern bearbeitet wurde. Ein weiteres Plakat bleibt einmal „frei“, da wir nur vier Gruppen zu verteilen haben.
Als Unterstützung für den „Experten“ dienen folgende Satzanfänge: Mitgemacht und mitgedacht haben ....
Das stellen wir dar ....
Gefallen hat uns ..... Unsere Probleme waren ......
Diese Satzanfänge sind als Overheadprojektion für alle ablesbar.
Die Schüler sollen im Anschluss die Leistung anderer bewerten, um so ein Gefühl für die eigene Leistung zu bekommen. Konkret sollen hier die Arbeit am Poster, das Poster selbst und der Vortrag bewertet werden. Vor jeder neuen Rotation sollen die Mitglieder einer Gruppe (der Vortragende ausgeschlossen) eine Bewertung nach „++, +, o, -, --„ auf einen Notizzettel unterhalb des Posters abgeben. Dabei sollen nur drei Kriterien berücksichtigt werden:
Informationsgehalt
Grafische Gestaltung
Vortrag
Diese Kriterien wurden im Unterrichtsgespräch vor dem Museumsrundgang kurz und auf Wesentliches reduziert erläutert (Was ist ein guter/schlechter Vortrag? ..). Die Bedeutung der Bewertungssymbole wurde an die Tafel geschrieben.
Jede neue Rotation wird mit einem Signal eingeleitet. Eine Stimmgabel hat sich in vergangenen Stunden schon mehrfach als angenehmes akustisches Signal erwiesen.
2.4.3 Geplanter Unterrichtsverlauf
Begrüβung
Einstieg
Stummer Impuls: Hochhalten eines leeren A0-Plakates.
Kurze Klärung der Methoden.
Auf dem Overheadprojektor liegt die Übersicht der Rahmenbedingungen mit den W-Fragen zur Orientierung.
Einteilung der Kleingruppen mittels Baccara-Karten.
Erarbeitung
Die Schüler wählen ihre Rollen und tragen ihre Namen auf den Funktionenzetteln ein.
Erstellung des Plakates in Gruppenarbeit.
Pause.
Aufhängen der Plakate und Bildung von Kleingruppen entsprechend der Kartenzeichen.
Sicherung/Bewertung
Die Plakate werden fotografiert, Museumsrundgang und Bewertung.
2.4.4 Durchführung und Reflexion dieser Unterrichtseinheit
Die Methode des Tafelfilters hat sich auch in dieser Gruppenarbeit als erfolgreich erwiesen. Die Schüler nutzten die Hilfestellung nur bei wirklich Wichtigem. Generell haben die Schüler in einem hohen Maβe selbstständig gearbeitet.
In dieser Unterrichtseinheit habe ich die Gruppenarbeit als Sozialform gewählt. Die Einteilung in zwei Groβgruppen für die Bewältigung der Aufgabe ist notwendig, da hier nach dem Thema (Sonnenbeobachtung und Mondbeobachtung) differenziert werden muss. Innerhalb der Groβgruppen verlief die Einteilung in Kleingruppen nach dem Los. So haben sich keine „eingeschworenen Gemeinschaften“ gebildet und ein reibungsloser Arbeitsablauf wurde sichergestellt (Differenzierung nach dem Zufallsprinzip). Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die Sozialform „Gruppenarbeit“ keinem Selbstzweck dient. Als Lehrer möchte ich beim Einsatz der Gruppenarbeit, dass die Schüler kooperativ und selbstgesteuert an der Fertigstellung eines Produktes arbeiten.
Jede Kleingruppe hat hier bei der Darstellung der Ergebnisse andere Schwerpunkte gesetzt: Für eine Gruppe stand der Sicherheitsaspekt bei der Sonnenbeobachtung im Vordergrund, grafisch verdeutlicht durch eine witzige Comic-Zeichnung, für eine andere Gruppe standen die Sonnenflecken im Mittelpunkt der Darstellung.
Das Arbeiten mit den Schülerrollen hat in den mir wichtigen Punkten funktioniert (wobei an dieser Stelle erwähnt werden sollte, dass der Astronomiekurs teilweise aus Schülern zusammengesetzt ist, welche diese Methode aus anderen Physikkursen her kennen):es befand sich stets nur eine kleine Schülerzahl am Materialtischdie Gruppen dämpften sich selbst in der Lautstärke in der zur Verfügung stehenden Zeit kam ein präsentables Produkt zustandedie „Rollen“ wurden angenommen, aber nicht überzogen dargestelltDie Plakatpräsentation ist von den Schülern ernst genommen worden. Im Fernbereich war zu beobachten, dass die Zuhörenden aufmerksam waren (es wurden Fragen gestellt, Anmerkungen gemacht, Unverständnis geäuβert, etc.). Die Experten waren eifrig dabei „ihr“ Werk zu präsentieren. Das konnte ich auch an deren Gestik und Mimik erkennen. In meinem Beisein waren einige Vortrangende nicht mehr „locker“, wahrscheinlich weil eine Frage oder Anmerkung des Lehrers erwartet wurde. Deshalb habe ich mich weitgehend auf Abstand gehalten. Sehr positiv ist mir aufgefallen, dass die Mädchen sich sichtbar engagiert haben und wichtige Beiträge lieferten zum Aufbau der Plakate. Daneben hat ein Schüler, der mir im Unterricht seit mehr als einem Jahr sehr introvertiert, zurückhaltend und ängstlich erscheint, während der Präsentation ein ganz anderes Bild abgeben können: als Experte „blühte“ er auf, nahm die Hände zur konkreten Darstellung auf dem Plakat zur Hilfe, blickte den Umstehenden ins Gesicht und sprach flüssig.
Auch die Bewertung der Schüler (als Gruppe) durch Mitschüler wurde ernst genommen. Das zeigte sich daran, dass die Bewertung am Ende der jeweiligen Präsentation klar und unbeeinflusst vollzogen wurde. Es gab keine verbalen Attacken oder vielsagendes Grinsen (welche als Zeichen unfairer Bewertung gedeutet werden könnten). Positiv sehe ich, dass sich die Schülerbewertung mit meiner ersten Einschätzung deckte.
Der reibungslose Ablauf der Bewertung gründet auf die vorher deutlich geklärten und eng gefassten Kriterien. Die Symbole wurden ebenfalls erklärt. Es kam jedoch die Frage „Dürfen wir nur ein Zeichen pro Plakat oder für jede Spalte (also Kriterium) machen?“. Hier hätte auch der Bewertungsprozess deutlicher gemacht werden können (vielleicht durch Platzhalter). Die Methode hat die Schüler für die Plakaterstellung und Präsentation wichtige Kriterien sensibilisiert und eine Selbst- und Fremdeinschätzung gefördert sowie Hinweise gegeben für zukünftige Materialpräsentationen.
Was passiert mit den Arbeitsergebnissen?
Die Arbeitsergebnisse sind fotografiert worden und können den Schülern als Computerausdruck zum Einheften in die Astronomie-Mappe zur Verfügung gestellt werden. Lohnend finde ich die Möglichkeit einer Ausstellung zum Tag der offenen Tür im November 2006. Die Plakate würden als Grundlage dienen, eine Ausstellungsfläche mit grafischen und informativen Elementen zu versehen.
Sicherlich würde die Einstellung zum Erarbeitungsprozess auch dadurch bereichert, wenn die Schüler ein Plakat für ein sehr bald stattfindendes Ereignis (z.B. Elternsprechtag) erstellen und eine Präsentation (z.B. vor Eltern und Freunden) vorbereiten.
Schülerrollen
GESAMTREFLEXION
Abschlieβend stellt sich hier die Frage, ob ein Konzept zur Durchführung einer astronomischen Beobachtung in seinen Schwerpunkten und Zielen entwickelt und verwirklicht wurde.
Es hat sich bestätigt, dass ein schülerorientierte Konzept ein integraler Faktor beim Motivationsaufbau ist. Den Schülern gefiel bei der astronomischen Beobachtung besonders gut, dass sie etwas Auβergewöhnliches sehen, machen, anfassen durften, dass sie abseits der Schule gemeinsam Erfahrungen sammeln konnten, dass ihnen die Gelegenheit geboten wurde, in Kontakt mit einem Experten zu treten, der alle Fragen beantworten konnte und zu neuen Experimenten anregte. Die Schüler äuβerten, dass sie die astronomische Beobachtung gar nicht als Unterricht empfanden. Sie wollten sogar länger zusammenbleiben, eventuell das Wochenende damit verbringen. Die Schüler waren motiviert, hatten eine positive Grundhaltung zur Arbeit mit den optischen Geräten, kurz, ein intensives Interesse an der Astronomie. Insgesamt wurde dieser Tag in etwa als „spannende gemeinsame Sache“ bezeichnet. Sicherlich hängt dieses mit den direkten Lerninhalten der astronomischen Beobachtung zusammen: Die Schüler konnten Neues selbst „erforschen“, oder durch eine unkonventionelle Form im Gespräch mit dem Experten aus „erster Hand“ erfahren.
Ebenfalls wurde positiv deutlich, dass der Astronomie-Unterricht auch für Schüler anderer Jahrgangsstufen interessant erscheint. Häufig „besuchen“ uns Schüler in der 7. und 8. Stunde, um „einfach mal mit dabei zu sein“. Diese Gäste dürfen sich natürlich am Unterricht beteiligen, mitmachen, Fragen stellen. Bisher sind mir noch keine „Gäste“ negativ aufgefallen, der Lernfortschritt der Schüler des WP-Bereichs wurde nicht gestört.
Drei Schüler (zwei aus der Jst. 6 und einer aus der Jst. 8) sind permanent anwesend. Der Astronomie-Unterricht mit verschiedenen Altersstufen ist eine Bereicherung und Herausforderung zugleich:
Für eine Schule bedeutet das Angebot des Astronomie-Unterrichtes, mit eigenen Teleskopen und weiterer Ausrüstung, einen durchaus immensen Aufwand. Gerade vom Engagement der Schüler hängt es ab, ob ein hochwertiges Ergebnis erzielt wird, welches andere Schüler wiederum motivieren kann. Mit hohem Engagement aufgebautes Wissen, wie z.B. technische Details an Eigenbau-Teleskopen, wäre für die Schule verloren, sobald ein homogener Kurs die Schule beendet. Anders sieht es aus, wenn in einer Lerngruppe Ältere und Jüngere zusammenarbeiten. Hier geht auch Detailwissen nicht verloren, es wird von Lerngruppe zu Lerngruppe weitergetragen.
Das Ziel des „Weitertragens“ ist nur dann möglich, wenn der Unterricht Möglichkeiten bietet, dass „Ältere“ mit „Jüngeren“ kooperieren, in Kontakt treten. In der Planung dieser Stunde wurden die „6er“ von der Plakaterstellung der „Älteren“ getrennt, um relativ leistungshomogene Gruppen zu bilden. Diese Entscheidung ist im Hinblick auf die o.g. Aspekte diskussionswürdig. Warum sollten „Ältere“ nicht mit „Jüngeren“ in einem Team zusammenarbeiten können. Sicherlich ist es eine Frage der Aufgabenstellung. Mit einem sinnvollen Arbeitsauftrag könnten sicherlich beide „Seiten“ in einem Team profitieren: Die „Jüngeren“, weil sie „Geheimnisse“ von den „Älteren“ erfahren, die „Älteren“, weil sie sich stark fühlen, Verantwortung tragen lernen, ihr Wissen weitergeben zu können. Das stellen von Aufgaben ist natürlich aufwendiger in einer stark heterogenen Lerngruppe. Hier sind Lerninhalte gleich mehrfach didaktisch zu reduzieren. Z.B. ist das Hertzsprung-Russel-Diagramm zur Klassifizierung von Sternen in ihrem Zusammenhang von Leuchtkraft und Oberflächentemperatur nach geeigneter Reduzierung für Schüler der Jahrgangsstufe 9 einer Realschule durchaus zu verstehen. Sie kennen sich aus mit Koordinatensystemen und Geradensteigungen. Für Schüler der 8. Klasse und erst recht für die der 6. Klasse macht die Darstellung eines solchen Diagramms keinen Sinn. Für alle ist es jedoch wichtig und möglich durch Beobachtung zu erfahren, dass es Sterne mit unterschiedlicher Leuchtkraft gibt. Diese Erfahrungen sollten auch in heterogenen Teams gemacht werden können.
Die Gelegenheit zum Feedback und die Möglichkeit der Bewertung von Arbeitsprodukten wurde von den Schülern sehr positiv aufgefasst. Die Schüler scheuten sich nicht auch sehr kritische Anmerkungen kund zu tun. Kurz gefasst liegt der Hauptpunkt der Schüler darin, dass „...die gemeinsame Leistung als nicht groβ genug“ empfunden wurde, d.h., dass die Lerngruppe das Gefühl hatte, bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Produktes nicht deutlich vorangekommen zu sein. Die Gründe sind hier offensichtlich: es gab keinen Arbeitsauftrag, der die Lerngruppe dazu animierte, gemeinsam zu handeln. Auf der anderen Seite waren die Aufgaben zu kleinschrittig gestellt, so dass die Lust der Schüler auf eigene Erkundigungen und gemeinsames Erfahren und Erarbeiten, gehemmt, gebremst wurden. Warum nicht die Schüler ohne straffe Vorgaben an den Geräten „spielen“, in die Wolken gucken, in weit entfernte Baumwipfel sehen lassen (in der Tat werden Refraktoren auch in der Vogelkunde eingesetzt)? So können sich Schüler wirklich als „Entdecker“ fühlen.
Sicherlich liegt es aber auch an ihrer Erwartungshaltung, erstklassige „Bilder“ zu sehen – ähnlich wie sie sie aus Hollywood-Blockbustern mit Science-Fiction-Inhalten kennen. Die Realität mit diesen Vorstellungen zu vergleichen holte sie auf eine für sie minimale Ebene herunter. Eine gewisse Enttäuschung ist daher verständlich und sollte unterrichtlich thematisiert werden. Vielleicht schon in einer Planungsphase zur Beobachtungsnacht gemeinsam mit den Schülern: Als Aufhänger könnte tatsächlich ein besagter Science-Fiction-Film dienen.
Insbesondere der Aspekt des Schülerfeedbacks, die eigene Leistung als „zu klein“ zu sehen, hat Konsequenzen für meine zukünftige Arbeit:
Die Schülerbeteiligung sollte besonders in der Erarbeitung, aber auch in der Planung und Evaluation verstärkt werden. Bei der nächsten astronomischen Beobachtung werde ich in jedem Fall die Arbeitsaufträge eigenverantwortlicher und schülergerechter gestalten.
Die Realisierung des folgenden Ansatzes könnte ein Weg in diese Richtung sein: Die Schüler erhalten jeweils einen Auftrag für ein „Beobachtungspraktikum“. Die Schüler dürfen während eines gesamten Schulhalbjahres an der Bewältigung der Aufgabe arbeiten. Der Lehrer gibt lediglich den thematischen Rahmen vor (z.B. „Gasriesen im Sonnensystem“). Daneben bietet der Lehrer einige astronomische Beobachtungen während dieses Halbjahres an und er versucht Experten zu diesen Zeitpunkten zu gewinnen. Die Schüler haben dann die Gelegenheit ihre Aufgabe in kleinen Teams durch eigenes Entdecken und gemeinsames Arbeiten zu bewältigen. Das Ergebnis wird dann nach bestimmten Kriterien bewertet. Die Kriterien werden am Anfang des Halbjahres von den Schülern erarbeitet („Was wollen wir erreichen....“). Am Ende des Halbjahres geben die Schüler ihre Arbeiten ab, sie werden gemeinsam bewertet, vorgestellt, präsentiert. Die Rolle des Lehrers ist dabei besonders die des Entdecker-Helfers.
Aufgabe des Lehrers ist es, einen Organisationsrahmen für die Durchführung der astronomischen Beobachtung zu schaffen. Wie oben geschildert, ist der Kontakt zu einem oder mehreren Experten ein essentielles Element. Allerdings spielen auch die Eltern eine wichtige Rolle. Insbesondere, wenn eine astronomische Beobachtung während der Nacht geplant ist, ist die Einbettung der Eltern in dieses Ereignis unerlässlich. Obwohl in den vergangenen Unterrichtseinheiten die Durchführung einer astronomischen Beobachtung am Tage geschildert wurde, so hält das Konzept prinzipiell auch für eine Beobachtungsnacht.
Die Erwartungen der Jugendlichen auf eine weitere Beobachtungsphase und ihre Äuβerungen bestärken mich in der Auffassung, mit diesem Konzept die Astronomie als positiven Erfahrungs- und Handlungsraum für Schüler aufgeschlossen zu haben. Vielleicht kann es bei weiterer differenzierter Ausarbeitung sogar über die Schulzeit hinaus wirksam werden und Schüler motivieren in ihrer Freizeit den Phänomenen des Himmels auf der Spur zu bleiben.
LITERATUR
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[Ron] Ronzheimer,M.: Mathe und Naturwissenschaften lassen deutsche Schüler kalt.
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